Energiearmut in NRW

Auch 2016 haben Verbraucherinnen und Verbraucher wieder mit hohen Nachzahlungen und steigenden Abschlägen zu rechnen. In den letzten Jahren sind die Preise für Strom und Gas wesentlich schneller gestiegen als die Einkommen. Haus & Grund Rheinland informiert über die Inhalte der Kleinen Anfrage der Landesregierung.

Auch 2016 haben Verbraucherinnen und Verbraucher wieder mit hohen Nachzahlungen und steigenden Abschlägen zu rechnen. In den letzten Jahren sind die Preise für Strom und Gas wesentlich schneller gestiegen als die Einkommen. Haus & Grund Rheinland informiert über die Inhalte der Kleinen Anfrage der Landesregierung.

Vorbemerkung der Kleinen Anfrage

Diese Tendenz ist besonders bei den Heizölpreisen zu verzeichnen. Bis 2020 wird eine Kostensteigerung des Brennstoffs um 50 % gegenüber 2012 erwartet, für 2030 sogar eine Steigerung von 100 % prognostiziert. Mehreren Millionen Menschen droht aufgrund dieser Tendenzen eine direkte Betroffenheit von Energiearmut. Auch wenn das Landesmodellprojekt „NRW bekämpft Energiearmut“ mit seiner Laufzeit von 2012-2015 ein kleiner Schritt war, reicht das Engagement kommunaler Akteure nicht aus um die strukturell bedingte Problemlage einzudämmen. Es ist eine Tatsache, dass der Energieverbrauch nur bedingt durch Bildungs- und Beratungsprogramme reduziert werden kann. Die Energiekosten steigen jedoch stetig – nicht zuletzt durch die regelmäßige Erhöhung des staatlichen Strompreisanteils mit einem diesjährigen Spitzenwert von 54 %.

Auch konnten bisher nur wenige Menschen erreicht werden. Die finanzielle Unterstützung ist grundsätzlich zu knapp bemessen, wenn man bedenkt, dass die Zielgruppe gerade wegen ihrer geringen finanziellen Mittel und infolgedessen wegen der energieintensiven Altgeräte und des oft schlecht gedämmten Wohnraums einen erhöhten Energieverbrauch hat und somit einem
erhöhten Risiko ausgesetzt ist, von Energiearmut betroffen zu sein.

Der Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz
hat die Kleine Anfrage 4554 mit Schreiben vom 27. April 2016 namens der Landesregierung
im Einvernehmen mit dem Minister für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr beantwortet.

1.    Wie viele Menschen sind in NRW derzeit von Energiearmut betroffen? (Bitte nach Kommunen auflisten)

Die Anzahl der Menschen, die von Energiearmut betroffen sind, lässt sich derzeit nicht statistisch
erfassen, da es weder europa- noch deutschlandweit eine allgemeingültige, einheitlich anerkannte oder gar gesetzliche Definition des Begriffes „Energiearmut“ gibt. Das in dieser Kleinen Anfrage genannte Projekt „NRW bekämpft Energiearmut“ setzt an der Unterbrechung der Energiegrundversorgung durch den Grundversorger bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung gemäß § 19 Abs. 2 StromGVV bzw. § 19 Abs. 2 GasGVV an. Die Anzahl der Energiesperren wird in Deutschland von der Bundesnetzagentur statistisch erfasst. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht jährlich einen Monitoringbericht, der die Entwicklung der Strom- und Gasmärkte in Deutschland dokumentiert und analysiert. Aus dem im November 2015 veröffentlichten Montoringbericht 2015 geht hervor, dass in 2014 deutschlandweit 351.802 Unterbrechungen der Stromversorgung durchgeführt wurden. Dies bedeutet im Vergleich zu 2013 einen Anstieg um mehr als 7.000 Stromsperren. Im Gasbereich wurden 2014 46.488 Unterbrechungen der Gasversorgung durchgeführt – dies entspricht ungefähr dem Vorjahresniveau. Hinsichtlich der Anzahl an Strom- oder Gassperren in Nordrhein-Westfalen hat die Verbraucherzentrale NRW in 2014 eine Umfrage bei 106 Grundversorgern durchgeführt. 79 Grundversorger beteiligten sich an der Umfrage und gaben an, dass in 2013 in Nordrhein-Westfalen insgesamt rund 92.000 Strom- oder Gassperren durchgeführt wurden.

2. Welche Bestrebungen und insbesondere welche finanziellen Mittel gibt es, das Modell „NRW bekämpft Energiearmut“ in NRW auszuweiten, um mehr Menschen zu erreichen und für eine landesweite Abhilfe zu sorgen?

Das Modellprojekt der Verbraucherzentrale NRW „NRW bekämpft Energiearmut“ startete im
Oktober 2012 und wurde bis Ende Dezember 2015 in Kooperation mit acht Energieversorgungsunternehmen (STAWAG, Stadtwerke Bielefeld, Stadtwerke Bochum, DEW21, Rhein- Energie, Stadtwerke Krefeld, NEW und Wuppertaler Stadtwerke) umgesetzt. Seit dem
01.01.2016 sind neue Energieversorgungsunternehmen (für Städteregion Aachen: enwor und
EWV; Stadtwerke Duisburg; für Ennepe-Ruhr-Kreis: AVU und Stadtwerke Witten; ELE; Stadtwerke
Velbert) hinzugekommen, so dass das Projekt „NRW bekämpft Energiearmut“ derzeit für einen weiteren dreijährigen Zeitraum in Nordrhein-Westfalen fortgeführt wird.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat zur Umsetzung des Projektes sowohl in der Modellphase von Oktober 2012 bis Ende 2015 als auch in der Fortführungsphase von 2016 bis 2018 jeweils 1,55 Mio. Euro als Zuwendung zur Verfügung gestellt. Die Finanzierung des zentralen Koordinationsteams der Verbraucherzentrale NRW, das für die Projektsteuerung zuständig ist, erfolgt zu 100% aus Landesmitteln. Weiterhin hat sich die Landesregierung degressiv an der Finanzierung der örtlichen Fachberatungskräfte der Verbraucherzentrale NRW beteiligt, bei gleichzeitiger progressiver Finanzierungsbeteiligung der Energieversorgungsunternehmen. Seit Anfang 2016 finanzieren die acht bisherigen Energieversorgungsunternehmen die örtlichen Fachberatungskräfte der Verbraucherzentrale NRW komplett eigenständig. Die neu teilnehmenden Energieversorgungsunternehmen beteiligen sich ebenfalls progressiv an der Finanzierung der jeweiligen Fachberatungsstellen vor Ort bei gleichzeitiger degressiver Finanzierung der VZ-Fachberatungsstellen durch das Land.

Mit dieser Projektfinanzierung steht das kostenlose Rechts- und Budgetberatungsangebot der
Verbraucherzentrale NRW derzeit rund 30 Prozent der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen
zur Verfügung. Darüber hinaus bietet die Verbraucherzentrale NRW nahezu landesweit kostenlose
Energieberatungsangebote für einkommensschwache Haushalte an.

3. Gibt es Maßnahmen um insbesondere die Sanierung bzw. den Heizungsaustausch
von Mietwohnungen zu fördern und somit vor allem einkommensschwache Mieter/
innen vor hohen Nebenkosten zu schützen?

Es gibt verschiedene Fördermaßnahmen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, die sich
der energetischen Sanierung von Wohnungen sowie der Erneuerung von Heizungsanlagen
widmen:

a) Förderung von investiven Maßnahmen im Bestand:
„RL BestandsInvest“
Mit dem mehrjährigen Wohnraumförderungsprogramm 2014 bis 2017 stellt das Land gezielt 150 Mio. Euro pro Jahr für die Förderangebote im Rahmen der Investiven Bestandsförderung „RL BestandsInvest“ mit dem Schwerpunkt auf der energetischen Sanierung des Wohnungsbestandes einschließlich der Förderung von Maßnahmen an und in denkmalgeschützten, selbst genutzten Wohngebäuden sowie zum Erwerb vorhandenen Wohnraums mit guten energetischen Standards zur Verfügung. Das Programm stellt mit seinen Zielen darauf ab, eine sozialverträgliche Umsetzung von energetischen Modernisierungsmaßnahmen mit pragmatischen technischen Anforderungen bei attraktiven Darlehenskonditionen in Gang zu setzen. Auf die zinsgünstigen Förderdarlehen können Tilgungsnachlässe in Höhe von 20% gewährt werden.

b) Gemeinschaftsinitiative von Wohnungsunternehmen und Bauministerium Nordrhein-
Westfalen: „Besser wohnen - Energetische Sanierung plus“

2015 wurde erstmals die Initiative von MBWSV und Unternehmen der Wohnungswirtschaft
„Besser wohnen – Energetische Sanierung plus“ ins Leben gerufen. Wohnungswirtschat und
sozialpolitisches Ziel dieser Initiative ist es, mit umfangreichen (geförderten) Investitionen
energetisch optimierte, zukunftsfähige und lebenswerte Wohnquartiere zu erhalten und zu schaffen, die auch nach einer energetischen Sanierung Wohnraum mit günstigen Mieten und bezahlbaren Energiekosten bieten. Im August 2015 hat der Auftakt mit sechs Quartieren im Ruhrgebiet stattgefunden. Für die Starterquartiere konnten in 2015 rund 60 Mio. Euro an Fördermitteln bereitgestellt werden. Die Initiative wird in diesem Jahr auf ganz Nordrhein-Westfalen ausgedehnt. Die Gemeinschaftsinitiative „Besser wohnen – Energetische Sanierung plus“ ist ein gutes Beispiel dafür, dass energetische Sanierung im Zusammenhang mit der Aufwertung von Quartieren und dem Wohnumfeld auch unter Berücksichtigung von bezahlbaren Mieten nach der Modernisierung möglich ist.

c) Gemeinschaftliches Handeln / Gemeinschaftsinitiativen: Das „Bündnis für Wohnen“
Das „Bündnis für Wohnen“ ist eine Initiative des Ministeriums für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Zusammen mit den Verbänden der Wohnungswirtschaft, dem BFW NRW, dem VdW Rheinland Westfalen sowie der Interessenvertretung der Eigentümer Haus & Grund NRW wurde das „Bündnis für Wohnen – bezahlbar, generationengerecht, energieeffizient“ beschlossen, und im März 2013 gestartet.

Das Bündnis für Wohnen verfolgt einen Dreiklang von Maßnahmen zur energetischen Optimierung, zum Abbau von Barrieren sowie zur Bezahlbarkeit von Wohnraum. Wichtig ist den Bündnispartnern, dass generationengerechter und energieeffizienter Wohnraum weder Mieter noch Investoren finanziell überfordert.

d) Programm „progres.nrw – Markteinführung“
Mit dem Programm „progres.nrw – Markteinführung“ fördert die Landesregierung Nordrhein-
Westfalen marktfähige Produkte zur effizienten Nutzung von Energie und dem Einsatz regenerativer Energien. Es richtet sich sowohl an Privatpersonen, als auch an Unternehmen und Kommunen. Die Programmnutzung ist nicht an Einkommensgrenzen gekoppelt; eine getrennte Erfassung nach Eigenheimen und Mietwohnungsbau erfolgt ebenfalls nicht. Mieterinnen und Mieter profitieren von der Erneuerung der Heizungsanlage und der Nutzung erneuerbarer Energien jedoch in der Regel durch geringere Heizkosten. Der Förderzuschuss reduziert zudem gemäß § 559a BGB die auf die jährliche Miete mit maximal 11 Prozent umlegbaren aufgewendeten Kosten der Modernisierungsmaßnahme.

4. Welche Kapazitäten wurden während der Laufzeit des Projektes speziell für die
Sanierung von Heizungsanlagen ausgeschöpft?

Die Erneuerung der Heizungsanlage ist oft ein Glied der Maßnahmenkette einer energetischen Sanierung. Die Auswertung der Förderzahlen aus den Jahren 2010 bis 2015 zeigt die Anzahl der Wohnungen, die in diesem Zeitraum aus den Mitteln der „RL BestandsInvest“ energieeffizient saniert wurden. In dem betrachteten Förderzeitraum (2010 – 2015) sind insgesamt in 4.264 Wohnungen (von insgesamt 7.313 energetisch sanierten geförderten Wohnungen) die Heizungsanlagen erneuert worden.

Im Programm „progres.nrw – Markteinführung“ wurden in den Jahren 2012 bis 2015 Zuwendungen in Höhe von insgesamt über 51,6 Mio. Euro beschieden. Auf die bei der Heizungserneuerung im Wohngebäudebereich relevanten Förderbausteine „Thermische Solaranlagen“, „Biomasseanlagen in Verbindung mit einer thermischen Solaranlage“ und „Wärmeübergabestationen“ entfielen im genannten Zeitraum insgesamt 16.408 Zuwendungen mit einem Volumen von 27,95 Mio. Euro.

5. Wie hoch ist die Sanierungsquote von Eigenheimen im Vergleich zu Mietwohnungen?

Die Verbesserung der Energieeffizienz im Bestand geht in Nordrhein-Westfalen mit Mietpreis- und
Belegungsbindungen bei Mietwohnungen einher. In Eigenheimen sind als Fördervoraussetzung
Einkommensgrenzen einzuhalten. Aus diesem Grund ist der Anteil an Fördermaßnahmen in Eigenheimen eher gering. Die Eigentümer nehmen hier in der Regel die Förderung der KfW-Bank in Anspruch, die ohne Einhaltung von Einkommensgrenzen gewährt wird. Hinsichtlich des Förderprogramms des Landes NRW „Richtlinien zur Förderung von investiven Maßnahmen im Bestand (RL BestandsInvest)“ werden klimafreundliche Sanierungsmaßnahmensozialverträglich realisiert, da die mit der Sanierung einhergehenden finanziellen Belastungen in einem für Mieter- beziehungsweise Eigentümerhaushalte tragbaren Rahmen gehalten werden. In den Jahren 2010 bis 2015 betrug der Anteil der Mietwohnungen an den insgesamt geförderten Wohneinheiten nahezu 97%. Die Sanierungsquote im Segment der Eigenheime und Eigentumswohnungen betrug nur etwas mehr als 3%.

Zur Förderung im Rahmen des KfW-Programms „Energieeffizient sanieren“ und zum BAFAMarktanreizprogramm“  – beides sind Förderprogramme des Bundes – liegen keine Zahlen vor.

Der Antwort Drucksache 16/11848 vom 27.04.2016 ist die unten aufgeführte Kleine Anfrage Drucksache 16/11458 vorausgegangen.

Die Kleine Anfrage 4554 vom 10. März 2016 der Abgeordneten Simone Brand PIRATEN
Drucksache 16/11458

Energiearmut in NRW
Auch 2016 haben Verbraucherinnen und Verbraucher wieder mit hohen Nachzahlungen und
steigenden Abschlägen zu rechnen. In den letzten Jahren sind die Preise für Strom und Gas wesentlich schneller gestiegen als die Einkommen. Diese Tendenz ist besonders bei den Heizölpreisen zu verzeichnen. Bis 2020 wird eine Kostensteigerung des Brennstoffs um 50 % gegenüber 2012 erwartet, für 2030 sogar eine Steigerung von 100 % prognostiziert. Mehreren Millionen Menschen droht aufgrund dieser Tendenzen eine direkte Betroffenheit von Energiearmut.

Auch wenn das Landesmodellprojekt „NRW bekämpft Energiearmut“ mit seiner Laufzeit von 2012-2015 ein kleiner Schritt war, reicht das Engagement kommunaler Akteure nicht aus um die strukturell bedingte Problemlage einzudämmen. Es ist eine Tatsache, dass der Energieverbrauch nur bedingt durch Bildungs- und Beratungsprogramme reduziert werden kann. Die Energiekosten steigen jedoch stetig – nicht zuletzt durch die regelmäßige Erhöhung des staatlichen Strompreisanteils mit einem diesjährigen Spitzenwert von 54 %.

Auch konnten bisher nur wenige Menschen erreicht werden. Die finanzielle Unterstützung ist
grundsätzlich zu knapp bemessen, wenn man bedenkt, dass die Zielgruppe gerade wegen
ihrer geringen finanziellen Mittel und infolgedessen wegen der energieintensiven Altgeräte und des oft schlecht gedämmten Wohnraums einen erhöhten Energieverbrauch hat und somit einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, von Energiearmut betroffen zu sein.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1.    Wie viele Menschen sind in NRW derzeit von Energiearmut betroffen? (Bitte nach Kommunen auflisten.)

2. Welche Bestrebungen und insbesondere welche finanziellen Mittel gibt es, das Modell
„NRW bekämpft Energiearmut“ in NRW auszuweiten um mehr Menschen zu erreichen
und für eine landesweite Abhilfe zu sorgen?

3. Gibt es Maßnahmen um insbesondere die Sanierung bzw. den Heizungsaustausch von
Mietwohnungen zu fördern und somit vor allem einkommensschwache Mieter/innen vor
hohen Nebenkosten zu schützen?

4. Welche Kapazitäten wurden während der Laufzeit des Projektes speziell für die Sanierung
von Heizungsanlagen ausgeschöpft?

5. Wie hoch ist die Sanierungsquote von Eigenheimen im Vergleich zu Mietwohnungen?

Simone Brand

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